2.2.b.6.3. Reisebericht Djebel Saghro 2016

Aus der Wüste über den Djebel Saghro ins Rosental

 

Im Mai/ Juni 2016 führte ich zusammen mit einem erfahrenen und witzigen ortskundigen Führer eine Explorationstour im Süden Marokkos durch.

Die Reise bestand aus drei Teilen: Zuerst ging es von N`kob aus Richtung Süden zu den Felsgravuren von Ait Ouazik.

Ende Mai ist es für eine Wanderung hierher schon fast zu heiß. Bis zum Camp Serdar fahren wir deshalb mit einem Fahrzeug. Als Lasttier haben wir ein Kamel dabei. Wir selbst tragen nur sehr wenig mit uns. Wir beginnen unsere Tour mit Sonnenaufgang, so dass wir nach 3 Stunden Wanderung um 10.00 Uhr bereits unseren Lagerplatz unter schattigen Akazien aufschlagen. Hier werden wir die heißen Stunden bis etwa 17.00 Uhr mit Essen, Schlafen, Ratschen verbringen.

Die nächste Nacht verbringen wir zwischen Ait Ouazik und den Felsgravuren. Neben der kleinen prähistorischen Ortschaft, die wir durch ein Oleander bewachsenes grünes Felstal erreichen, befinden sich auf einem kleinen Hügel die besterhaltenen Gravuren auf den Steinen. In der Umgebung gibt es weitere solche Zeugen aus einer Zeit, in der die Gegend noch Savanne war.

Ihr Alter wird auf 8.000 bis 10.000 Jahre geschätzt. Die Zeichnungen stellen Jagdszenen mit Elefanten, Giraffen, Straußen, Büffeln und Antilopen dar. Fallen und Steinschleudern sind ebenso abgebildet wie geometrische Figuren in Spiralen, konzentrischen Bögen, Kreisen, Kalender... Das harte geologische Material hat sie besonders gut konserviert.

Und noch nie habe ich so viele frische wohlschmeckende Wasser- und Honigmelonen an einem Stück gegessen wie hier! Wir wandern durch ein Hauptanbaugebiet – auch wenn dieses Obst viel Wasser benötigt und es sinnvoller wäre auf Mandelbäume und Henna zu setzen!

Wir verbringen noch einmal eine Nacht in dem malerisch gelegenen Nkob. Das Dorf ist der Hauptort der Ait Atta - ein alter Berberstamm, der bereits lange vor arabischer und islamischer Zeit – im Süden Marokkos ansässig war. Sie setzten sich aus vielen Gruppen zusammen und besaßen eine gewisse Macht, um über Ackerland, Wasser und Weiden zu verfügen oder den Karawanenhandel zu kontrollieren. Ende des 16. Jahrhunderts beherrschten sie den gesamten Südosten Marokkos.

Vorwiegend nomadisch lebend bewegten sie sich je nach Jahreszeit zwischen den sommerlichen Almen des Hohen Atlas und den Winterweidegebieten im Saghromassiv. Heute leben nur noch wenige Familien ganz oder teilweise als Nomaden.

Die Ait Atta wurden vor allem bekannt wegen ihres Widerstandes gegen das Vordringen der Franzosen im Land.1933 ergaben sich die Ait Atta nach mehr als einem Jahr Kampf und hohen Verlusten auf beiden Seiten in den Felsenburgen des Bou Gafer, einem der höchsten Gipfel (2545 m) des Saghro.

Nkob liegt südlich des Saghros auf einem Hügel. Es ist bekannt für seine 45 - teilweise sehr schön restaurierten - Lehmziegel-Kasbahs. Die meisten dieser Wehr- und Lagerburgen wurden mit Blick auf den Saghro erbaut. Auch unser Guide wohnt heute in einer restaurierten Kasbah seines Großvaters. Nkob gibt es erst seit den 30er Jahren, als es sich als Handelsplatz zwischen dem Hohen Atlas und dem Süden heraus bildete.

Die nächsten vier Tage verbringen wir mit Maultieren im Djebel Saghro. Die geologischen Ursprünge des Djebel Saghro liegen zwischen 230-570 Mio Jahre zurück. Auch hier gibt es 3000 – 5000 Jahre alte Felsgravuren, sowie Mineralien, Fossilien, vulkanische Formationen. Der Saghro zieht sich zwischen Ouarzazate und Errachidia über eine Länge von etwa 200 km und einer Breite von 40 km hin. Der höchste Gipfel ist der Amalou-n-Mansour mit 2712 Metern.

Aufgrund der geringen Niederschläge gibt es wenig Vegetation. Deshalb entwickelten sich kaum große Orte. Und die Naturlandschaft blieb dadurch direkt beobachtbar und faszinierend. Diese karge Bergwelt und zerklüftete Vulkanlandschaft ist der Lebensraum der Ait Atta Berber. Tiefe Schluchten, bizarre Felstürme, schwarze Steinwüste wechseln sich ab mit kleinen Wehr- und Wohnburgen aus Lehm, Nomadenzelten oder Schaf- und Ziegenherden und mühevollem Pflanzenanbau.

Wir starten mit der Wanderung in Handour, laufen entlang von Flussläufen, durch Oasengärten, Steinmauern vorbei an Mandel- und Olivenbäumen, Hennafeldern, Dattelpalmen. Viele Felder sind in mühevoller Handarbeit von Steinen befreit und zu Terrassen angelegt worden. Wir machen Rast bei Berberfamilien und übernachten bei ihnen.

Manche Familien haben sich inzwischen mit dem Trekkingtourismus arrangiert. Sie stellen ein großes Zimmer oder ein paar kleinere mit Matten und Decken für die Reisenden sowie eine Küchenbenutzung zur Verfügung. Wir werden herzlich empfangen und bewirtet. Die Menschen lassen uns für ein paar Stunden sehr eng an ihrem Leben teilhaben. Es ist bereichernd, denn hier sehen wir genau, wie der Lehmverputz mit Stroh angerührt und auf den Wänden verteilt wird. Hier dürfen wir selbst ausprobieren, wie anstrengend es ist, in der Hocke die kleinen Hennapflanzen zu setzen oder die größeren mit Sicheln zu ernten. In sehr einfachen aber immer sehr ordentlichen Behausungen können wir uns von den heißen Sonnenstunden der Wanderung erholen mit einem einfachen Bad, bequem auf Matten liegend und ratschend aufs Abendessen warten oder den Sonnenuntergang genießen.

Je höher wir in den Saghro kommen, desto karger und wüstenähnlicher wird die Landschaft. Vulkanische Erhebungen wie die Felsentürme am Bab n`Ali sind ein Wahrzeichen des Djebel Saghro.

Der nächste Tag führt u.a. vorbei an Bergkristall und anderen Mineralfundstellen nach Igli, wo wir unter einer Passhöhe auf 1750 Meter übernachten.

Heute ist der längste Wandertag, der uns an die höchste Stelle dieser Reise bringt. Immer schwärzer werden die Steine, immer weiter der Blick in Richtung Süden, immer weniger Menschen, die wir treffen, immer faszinierender die Felsformationen. Ein Uhu schaut uns aus der Felswand zu. Gegen Mittag erreichen wir den zweithöchsten Gipfel, den Kouaouch mit 2600 Metern. Die letzten 60 Meter sind mit etwas Hand- und Fußeinsatz aber gut zu meistern. Oben bietet sich ein grandioser Ausblick auf beide Seiten des Saghro – das Auge reist von der Wüste im Süden bis zum Hohen Atlas im Norden.

 

Ab jetzt bewegen wir uns in der Region der leider durch Abholzung stark bedrohten Wacholderbäume. Unter einem uralten Exemplar davon verbringen wir unsere Mittagspause.

Für die Nacht erreichen wir ein Dorf, das wieder an eine Piste angeschlossen ist. Mit einem Fahrzeug erreichen wir Boumalne du Dades und sind wie mit einer Rakete aus der Einsamkeit in den vormittäglichen Einkaufstrubel einer nicht ganz kleinen Stadt gebeamt. Sobald aber unsere Vorräte wieder aufgefüllt und unsere Mulimannschaft ausgewechselt ist, beginnen wir unseren dritten Teil der Tour, den ich Flusswanderung nennen will.

 

Wir werden vom Dadestal über Ait Joul, das wir die meiste Zeit im Schatten des intensiv bepflanzten Flussbetts erreichen, über Berghänge zum M`Goun Tal – das bei Touristen bekannte Rosental – wechseln. Ganz plötzlich verändert sich die Landschaft bzw. der Bewuchs. Ein gerade noch steiniges, trockenes, sprödes Trockenflusstal empfängt uns mit einem Oleanderwald und bald erreichen wir die erste Stelle, an der wir unsere wasserfesten Sandalen zur Flussüberquerung brauchen. Viele Menschen arbeiten am Fluss: sie waschen ihre Wäsche, Teppiche, schaufeln Kies für den Hausbau aus dem Fluss und Kinder toben im Wasser. Wir schlagen unser nachmittägliches Lager im Walnusswald am Flussrand auf. Im Rosental genannte M`Goun-Tal sind die Rosen schon verblüht. Sie sind geerntet und zu Rosenwasser und Parfüm verarbeitet. Wir genießen das Tal der Walnüsse, Pappeln, Oleanderbüsche nach Tagen in der Wüste und der wasserarmen Saghrogegend dennoch in vollen Zügen.

Bis wir unser Endziel, Kelaat M`Goun erreichen, werden wir meist im Fluss watend, manchmal aber auch neben dem Fluss an Hängen, durch Oasengärten, durch Lehmziegelorte laufend unsere Wanderung fortsetzen.

Mit einer letzten Nacht und einem wunderbaren Blick auf die Gipfel des M`Goun im Hohen Atlas, denen wir vielleicht beim nächsten Mal näher kommen, endet unsere Trekkingreise von der Wüste über den Djebel Saghro ins Rosental.

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